Von Kontinent zu Kontinent

Geologische Erlebniswanderung mit Kindern und Jugendlichen
durch die Igstadter Gemarkung

Anlässlich des 30-jährigen Bestehens hatte der Heimat- und Geschichtsverein Igstadt für Sonntag, 30. Oktober 2022, zu einer Erlebniswanderung für Kinder und Jugendliche eingeladen. Das Angebot stieß auf großes Interesse. Dr. Michael Weidenfeller, Vorsitzender des HGV und Geologiedirektor am Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz in Mainz, konnte bei strahlendem Sonnenschein 24 Schülerinnen und Schüler sowie 21 Begleitpersonen begrüßen.

Nach einem kurzen Überblick über die Erdgeschichte und die für den Raum Igstadt bedeutenden Erdzeitalter, wurden Spaten, Kellen, Hammer und weiteres Werkzeug verteilt und die Gruppe setzte sich in Richtung Wickerbachtal in Bewegung. Am ersten Halt erfuhren die jungen Naturforschenden, dass sich die Landschaft rund um Igstadt im Laufe von Jahrmillionen immer wieder verändert hat. Das, was wir heute sehen, ist nur eine Momentaufnahme. Igstadt lag vor über 450 Millionen Jahren auf zwei verschiedenen Kontinenten, die tausende Kilometer voneinander getrennt waren. Durch die Wanderung der Erdplatten wurden die beiden Kontinente schließlich miteinander verbunden. Die Nahtstelle lässt sich heute im Wickerbachtal verfolgen.

Doch woher weiß man das, wie arbeitet eigentlich ein Geowissenschaftler und wie beschreibt man einen Boden? Mit einer kleinen Feldübung und Experimenten an einem Acker oberhalb des Wickerbachs konnte ein kleiner Einblick in die Werkstatt des Geologen gegeben werden. „Beobachten, Untersuchen, Verstehen – das sind die wichtigsten Schritte, um viele Fragen zu beantworten“, so Michael Weidenfeller. Er holte mehrere Dosen aus seinem Rucksack, die mit Kies, Sand und Ton gefüllt waren. Die Proben wurden von den Kindern untersucht und die Unterschiede beschrieben. Auch eine Dose mit Schluff war dabei. Schluff? Diesen Begriff hatten die meisten Kinder, aber auch die Erwachsenen noch nicht gehört. Er ist feiner als Sand, aber nicht so schmierig wie Ton und fühlt sich mehlig an. Der eiszeitlich entstandene Löss, der für die fruchtbaren Böden rund um Igstadt verantwortlich ist, setzt sich überwiegend aus Schluff zusammen. Was der Schluff besonders gut kann, ist Wasser zu speichern. Um das zu belegen, wurden die Dosen mit den verschiedenen Proben mit Wasser gefüllt. Während das Wasser schnell durch den Kies und Sand hindurchfloss, konnte der Schluff das Wasser wie ein Schwamm aufsaugen. Auch die Bodenfarbe wurde von den Kindern unter Verwendung einer genormten Farbtafel und der Kalkgehalt durch den Einsatz einer schwachen Säure bestimmt.

Nach den Experimenten ging es weiter über den Wickerbach und talaufwärts in Richtung Obermühle. „Haben alle gemerkt, dass wir jetzt die ehemalige Kontinent-Kontinent-Grenze überschritten haben?“ Ungläubiges Staunen. Doch nur wenige hundert Meter weiter fand sich eine Stelle im Hang, an der Steine zu sehen waren, die bei der Wanderung bis dahin noch nicht angetroffen wurden. Mit Spaten, Hammer und Kellen, aber auch mit bloßen Händen lösten die jungen Forscherinnen und Forscher die Gesteinsplatten aus der Böschung. Die Stücke wurden mit Wasser aus der Spritzflasche abgespült und anschließend vorgezeigt. „Die Steine sind flach“, „... und glänzen!“ „… und sie sind grau und hart,“ so die Beschreibungen der Kinder. „Das ist ein Phyllit, das älteste Gestein am Taunusrand“, erklärte der Experte. Es entstand, als die beiden Kontinente noch voneinander getrennt waren, also noch lange bevor es Dinosaurier auf der Erde gab.

An der letzten Station in Nähe des Igstadter Friedhofs gab es noch etwas Besonderes zu bestaunen: Der HGV-Vorsitzende zauberte ein Stück Meeresboden aus seinem Rucksack. Auf diesem Stück, das aus einer Baugrube in der Dornkratzstraße in Igstadt stammt, sind Muscheln und Schnecken zu sehen, die das Meer vor etwa 30 Millionen Jahren zurückgelassen hat. Damals gab es hier auch Haie, die über 15 Meter lang waren. Kaum, dass der große mitgebrachte Haizahn aus der Schachtel herausgenommen war, wurde er von einem Schüler fachkundig als Zahn eines Megalodon erkannt.

Nach spannenden zwei Stunden durch die Igstadter Gemarkung konnten die jungen Teilnehmenden Urkunden in Empfang nehmen, die von der 2. Vorsitzenden Ingrid Dahl angefertigt und überreicht wurden: „Ihr seid jetzt „Junior-Experten für Geologie" und kennt Antworten zu den Fragen: „Warum liegt Igstadt auf zwei Kontinenten? Warum gibt es bei uns Meeresmuscheln? Welche Spuren der Eiszeit findet man in Igstadt?" Neben den Urkunden bekamen alle auch einen Original-Bimsstein als Geschenk. Der Bims stammt aus dem Laacher See-Vulkan und ist mit seinen 13 000 Jahren eines der jüngsten Gesteine in Deutschland.

Großes Lob vom HGV gab es für das tolle Mitmachen und die Neugier der Kinder. „Um den geologischen Nachwuchs muss man sich keine Sorgen machen“, schmunzelte Michael Weidenfeller. Auch die begleitenden Erwachsenen bestätigten, dass sie viel dazu gelernt hätten. Aufgrund der großen Resonanz wird der HGV auch im nächsten Jahr eine Erlebniswanderung für die junge Generation anbieten. Voraussichtlich geht es am 8. Oktober 2023 zur eiszeitlichen Fundstelle im Wäschbachtal.



Michael Weidenfeller

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